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02.10.: An der wärmenden
Sonne am Morgen merken wir, dass wir uns schon ziemlich weit im
Süden Frankreichs befinden. Die Provence mit ihren Lavendelfeldern,
die typisch französichen Dörfer und die berühmten
Schluchten sind nicht weit entfernt. Uns interessiert aber heute
mehr der
- Col de Parpaillon (2632m).
Die Besonderheit dieser schönen und einfach zu befahrenen
Strecke ist der ca. 500m lange Scheiteltunnel. Erzählungen
von Freunden oder Kollegen, die sogar mit Mountainbikes die Strecke
gemeistert haben, lassen uns auf eine abwechslungsreiche Fahrt hoffen.
Dunkel und unbeleuchtet soll er sein. Eng und in der Mitte teilweise
eingebrochen, so dass Wasser von oben den Weg in den Tunnel findet
und ihn teilweise unter Wasser setzt. Im Winter blockieren Eiszapfen
und Eiswände das Vorankommen, wenn nicht sowieso die mächtigen
Stahltore geschlossen sind. Wir lassen uns überraschen. Der
Auftieg von Westen führt durch ein nettes Tal gemächlich
hinauf Richtung Tunnel. Zügig und ohne fahrerische Anforderung
erreichen wir nach einer knappen Stunde das Nordportal des Tunnels.
Ein verräterisches Brummen und ein wackliges Lichterpaar kommt
aus dem Dunkeln auf uns zu. Wir erwarten einen Geländewagen
oder ähnliches, aber aus dem Loch erscheint nur ein popliger
Citroën. Für den Fahrer ist diese Strecke wohl nichts
ungewöhnliches; das Auto sieht dementsprechend verdreckt aus.
Lässig die Gitanes im Mundwinkel hängend begutachtet er
unsere Landys und brummt ein anerkennendes "bon, bon"
heraus. Wir horchen nochmal in den Tunnel hinein, ob nicht noch
jemand rauskommt, und dann fahren wir unter voller Beleuchtung in
das dunkle Loch. Kaum sind wir drin, sehen wir am Ende den hellen
Schein der Ausfahrt auf der anderen Seite. Im Licht spiegeln sich
die nassen Wände und die langen Pfützen. Vorsichtig tasten
wir uns durch das dunkle Wasser, da wir nicht wissen, welcher Wackerstein
oder welches Loch sich uns in den Weg legt. Ohne größere
Erschütterungen gelangen wir zum Südportal. Begeistert
von dieser ungewöhnlichen Fahrt geht´s gleich nochmal
zurück, diesmal aber etwas schneller. In der engen Röhre
rauscht und gurgelt das Wasser unter uns und spritzt im Schein des
Fernlichtes von den Wänden zurück auf die Motorhaube.
Da wir aber wieder zurück müssen, fahren wir ein drittes
Mal in den Tunnel - laut, nass, schnell, dreckig, gut - Landy fahr´'n!
Die Abfahrt über die Südrampe ist etwas schwieriger als
die Auffahrt von der anderen Seite, aber trotzdem ziemlich einfach
zu befahren. Grober Schotter, manchmal lose und unterschiedlich
groß, schrecken auch ein paar Mountainbiker nicht ab, die
uns entgegenkommen. Ab der Kapelle von Ste-Anne ist die Straße
wieder geteert und endet nach einigen Kehren im Tal in La Condamine-Chatelard.
Um von hier Richtung Südosten zu gelangen, fahren wir über
den
- Col de Larche (1991m).
Zügig und ohne Anstrengung überqueren wir zum x-ten Male
die französich-italiensche Grenze und befinden uns in den Seealpen.
Wir wollen noch in Richtung der Ligurischen Grenzkammstrasse und
sie evtl. heute noch beginnen. In Borgo San Dalmazzo folgen wir
den Schildern nach Limone und Tenda und erreichen nach einiger Zeit
das Nordportal des Tenda-Tunnels. Der 3,2 km lange Tunnel ist nicht
nur der älteste, sondern war lange Zeit auch der längste
Tunnel in den Alpen. Er ist eine wichtige Verbindung zwischen Turin
und der französischen Küste. Der ADAC würde diesen
Tunnel mit Sicherheit sperren lassen: Eine Röhre mit Gegenverkehr,
Kellerbeleuchtung, schlechtem Belag und nur dürftige Sicherheitsvorkehrungen.
Kurz hinter dem Tunnel sollte man allerdings aufpassen, denn unmittelbar
hinter dem Südportal zweigt ein kleiner Weg zum
- Colle di Tenda (1871m) ab.
Ein Hinweisschild empfiehlt die Benutzung von 4x4-Fahrzeugen. Diese
einzigartige Straße ist anfangs kurios und sagenhaft. Je mehr
wir an Höhe gewinnen, desto anstrengender und ermüdender
wird sie. Im letzten Drittel fragt man sich, welcher Idiot auf die
Idee kam, so eine Straße zu bauen und kurz vor dem Ziel schwört
man sich, nie wieder eine Straße mit Serpentinen zu fahren!
48 Kehren auf engstem Raum übereinander, ein Meisterwerk der
Straßenbaukunst, ein Horror für einen 110er, der nur
6 von 48 Kehren in einem Rutsch schafft. Muskelkater vom Lenken,
Schalten und Kuppeln aber ein grandioser Ausblick vom Fort Central
entschädigen für diese sehr ungewöhnliche Fahrt.
Der Blick nach Norden reicht über den Monte Viso bis fast nach
Turin, im Süden sieht man bei schönem Wetter das Mittelmeer
bei Monaco glitzern. Hier oben beginnt die Ligurische Grenzkammstrasse,
die sich auf einer Länge von 85 km über 15 anfahrbare
Hochpunkte zur Küste windet. Für manche sicherlich der
Höhepunkt einer Alpentour - für uns ist hier oben an einer
Schranke Schluß! Abgesperrt und verschlossen; ein Schäfer
winkt ab, als wir nach dem Weg fragen. "Es werde da oben gebaut,
die Straße sei teilweise unterbrochen und von hier nicht anfahrbar."
Der gute Mann bietet uns die Straße auf der anderen Seite
des Tales an und zeigt mit seiner Hand hinüber zum
- Baisse d´Urne (2040m).
Vom Fort Central sehen wir das dünne Schotterband am Berghang
und hinter der nächsten Kurve im Wald verschwinden. Na gut,
besser als wieder umzukehren und ins Tal zu fahren. Vielleicht finden
wir ja morgen einen Einstieg von Süden in die Ligurische Grenzkammstrasse.
Der Weg über den Baisse d´Urne ist allerdings nervig
und anstrengend. Große Steine, die aus dem groben Schotter
herausragen, schütteln uns gewaltig durch. Nur mit Schrittgeschwindigkeit
kommen wir vorwärts, im Auto wird alles hin und her geworfen.
Klappern aus allen Ecken des Landys, Teile des Lenkungsdämpfers
lösen sich und scheppern vor sich hin. Tief unter uns der Ort
Tende, wo wir noch hin wollen, aber irgendwie nicht vorwärtskommen.
Nur langsam verlieren wir an Höhe, spät wird es außerdem,
genervt vom Rütteln und Schütteln hoffen wir auf ein baldiges
Ende dieser Strecke. Die Sonne ist schon hinter den Bergen verschwunden,
als wir uns endlich auf Asphalt bewegen - Stille! - aber gefolgt
von extrem engen Kehren, die auf fast kürzestem Weg das Ziel
im Tal suchen: Bremsen, Kuppeln, voller Lenkeinschlag, langsam an
die Kante, paßt nicht - Scheiße, lenken, zurück,
vor, paßt, weiter bis zur nächstren Kurve da vorne...
dasselbe nochmal, dutzendmal, hundertmal. Irgendwann sind wir unten
imTal. Müde, genervt, zerschlagen. Keine Kehren mehr, nie wieder,
die Scheißberge können mich mal... Auf der Karte haben
wir uns den Ort Sospel ausgesucht, 20 km vor der Küste in den
Bergen. Die letzten Kilometer werden abgespult, noch ein kleiner
Hügel vor uns, doch wieder Serpentinen, die aber auf breiter
Straße im 4. Gang gefahren werden. Dann ist auf einem "geschlossenen"
Campingplatz Schluß für heute. Langer Tag mit 100 Kehren?
Waren es 200 oder sogar 500? Ich kann sie nicht mehr zählen.
03.10.: Es ist sehr warm an diesem Morgen. Fast 25 Grad zeigt das
Thermometer, als wir mit T-Shirt und offenem Fenster unter den Palmen
von Menton Richtung Monte Carlo rollen. Höllischer Verkehr,
überall Franzosen, Chaos. Andi muss sich tüchtig ranhalten,
damit er mich im Straßengewühl nicht verliert. Funk sei
Dank, wenn er sich in letzter Minute meldet und vor einer roten
Ampel hängenbleibt. Im Schnelldurchgang durch Monaco. Teure
Yachten im Hafen aus den Augenwinkeln, das Casino rechts, ein Stück
Formel 1- Strecke, durch den Tunnel, Schwimmbad, da vorne rechts
rum Start/Ziel, vorher aber Abbiegen nach Nizza, 4. Gang in die
Kurve, im Blick immer meine Kontrahenten in ihren PKW hupend neben
mir auf dreispuriger Stecke, gelbe Ampel - rot - drüber - gewonnen!
Grüner Land Rover siegt an der Ampel vor rotem Ferrari! Andi
wird dritter oder vierter, bleibt aber in den Punkten...

Bis zum Horizont erstrecken sich die Dächer von Nizza. Nahtlos
reiht sich eine Stadt an die andere; mediterranes Flair, Palmen,
Sonne, Savoir Vivre, Digne rechts, raus aus dem Molloch. Nur langsam
läßt der Verkehr nach, als wir uns nordwärts bewegen.
Über Nationalstraßen drängt es uns langsam heimwärts;
große Pässe und spektakuläre Straßen stehen
nicht mehr auf dem Program. Digne - Grenoble in einem Rutsch, trotzdem
langwierig auf französischen Landstraßen. Nach fast 500km
erreichen wir einen Campingplatz in La Terrasse nördlich von
Grenoble. Hier wird noch abkassiert, fünf Minuten später
wäre er aber "geschlossen" gewesen.
04.10.: Regen macht den Abschied aus Frankreich leicht. Fahrt über
Chambery nach Genf. Andi möchte noch um den Genfer See rum,
hat noch 2 Tage Zeit. So trennen sich unsere Wege südlich von
Genf und ich setze meine Fahrt alleine fort. Genf - Lausanne - Bern.
In einem der vielen Tunnel merke ich, das mein Licht aus ist. Nanu,
wo wir doch die ganze Zeit immer mit Abblendlicht gefahren sind.
Beim gewohnten Griff an den Schalter fällt dieser auch prompt
ab! Flickwerk an einem Rastplatz, wenigstens das Standlicht brennt
wieder. Basel - Freiburg - Frankfurt. Der Hintern schmerzt, der
Rücken tut weh. Beim letzten Sonnenstrahl bin ich wieder zu
Hause.

2879 Kilometer, über 36900 Höhenmeter, mindestens 986
Kehren und Serpentinen...
- sehenswert, anstrengend, gut!
Tom, November 2003
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